Wenn mich im Sport in diesen Tagen jemand sprachlos macht, dann ist dies Jürgen Klinsmann.
Einerseits ist es für mich überraschend, wie er es bislang immer geschafft hat, nur durch seinen Spieler-Nimbus und ein offensichtlich überzeugendes Auftreten, Fachleute dazu zu bewegen, ihn eine Weltklasse- Mannschaft trainieren zu lassen.
Angefangen hat er ganz unten: als Deutscher Nationaltrainer.
Da war es schon seltsam, dass der DFB einen Trainer ohne jede Erfahrung ins höchste deutsche Traineramt berief. Gut, man hatte zuvor schon gute Erfahrungen mit Franz Beckenbauer gemacht, der ebenfalls Teamchef war, ohne je zuvor eine Mannschaft trainiert zu haben. Und Klinsmann fiel ihnen erst ein, nachdem Wenger, Olsen , Hiddink, Hitzfeld und Rehagel abgelehnt hatten, aber dennoch klappte seine Tätigkeit ganz passabel. Seltsam war nur, dass er dort schon den gesamten Betrieb umkrempeln wollte. Aber der DFB wäre ja nicht der DFB, wenn er das mit sich machen lassen würde. Nur Sepp Maier blieb als Torwarttrainer auf der Strecke.
Jedenfalls gipfelte das irgendwann im 06er-Sommermärchen, wo er die Nationalelf bis auf den dritten Platz führte. Allenthalben wurde dies als großer Erfolg gefeiert, bei Licht betrachtet war aber Deutschland bei der WM zuvor unter Rudi Völler Vizeweltmeister geworden und vor 2014 konnte man die Mannschaft des Ausrichters immer zu den Favoriten zählen, selbst Südkorea hatte es 2002 bis unter die letzten Vier geschafft.
Trotzdem, Deutschland hatte sein Sommermärchen, an Klinsmann gab es nicht viel zu kritisieren. Zwei Tage später fühlte Klinsmann sich ausgebrannt und machte sich davon in die USA, kein ganz schlechter Zeitpunkt. Zur Verleihung des Bundesverdienstordens am Bande erschien er dann auch nicht.
Zwei Jahre lang sonnte Klinsmann sich in seinem Erfolg, gefüttert mit Arena-Geld aus einem Kommentatoren- Vertrag, den Arena nicht erfüllen konnte. Also Geld fürs Nichtstun.
Dann trat er bei den Bayern als Trainer an, die sich zum zweitenmal nach Ribbeck auf einen Blender einließen. Also wurde es eine Saison ohne Titel, Viertelfinale Championsleague, Viertelfinale Pokal und fünf Spieltage vor Schluss gefeuert, damit man die Championsleague-Quali nicht noch verpasst. Heynckes hats dann gerettet.
Als Wunschspieler hatte Klinsmann im Winter den US-Amerikaner Landon Donovan auserkoren – der schnelle Stürmer von Los Angeles Galaxy wäre mit seinem Tempo-Spiel ideal für die Münchner. Als dieser eintraf war er langsamer als alle Feldspieler der Bayern.
Am Ende versuchte er, sich im nachhinein als Opfer zu stilisieren, empfand Kritik als Folge der Kahn-Degradierung in der Nationalelf.
Die nächste Station war der Nationaltrainer-Job in den USA. Das verlief sogar erfolgreich, (die USA erreichte bei der WM 2014 das Achtelfinale, nicht unbedingt eine Selbstverständlichkeit) wurde verlängert und dauerte fünf Jahre und knapp 100 Spiele an. Als aber die nächste WM-Quali in Gefahr war, musste der Schwabe gehen.
Drei Jahre später taucht er dann bei der Hertha auf, für die er als Spieler niemals tätig war, aber wo er seit 2004 trotzdem Mitglied ist. Er wird von Investor Lars Windhorst in den Aufsichtsrat berufen und stellt dort scheinbar fest, dass der Trainer die Wurzel des Übels bei Hertha ist und übernimmt diese Tätigkeit dann selbst. Dabei bemerkt er, dass es doch wohl an allen anderen lag, er protokolliert das für Windhorst und möchte dann einen Vertrag für die Zukunft mit nahezu unbegrenzten Kompetenzen und einem astronomischen Gehalt. Das wollen aber wohl die Leute nicht, die Klinsmann gern gefeuert sähe.
Und deshalb muss er dann „nach langer Überlegung“ (dürften so ziemlich 2 Stunden gewesen sein) nach 10 Spieltagen leider seinen Abschied als Trainer per Facebook verkünden und wieder auf seinen Aufsichtsratposten zurückkehren. Den Fans, nicht etwa dem Verein. Der bekommt das dann schon mit.
Die Herren sind etwas verwundert und machen dann auch eine Pressekonferenz. Mit Windhorst, der dabei sagt, den Aufsichtsratsposten könne er ja wohl knicken, nachdem er sich wie ein Teenie verhalten hat.
Dann taucht ein 22seitiges Protokoll bei der Sportbild auf. Verfasst scheinbar während der letzten Wochen und gerichtet an Windhorst. Und von einem Dritten geschrieben nach Klinsmann-Diktat. Was das Klinsmann-Management auch bestätigt.
Tja, die darin kritisierten Leute haben sicher nicht das geringste Interesse, so etwas in die Öffentlichkeit zu bringen, ebensowenig der Adressat. Wenn es denn dann nicht ein Mitarbeiter im Copy-Shop war, der sich was dazu verdienen wollte, bleiben ja nur der Aufschreiber und sein Diktator als Quelle. Jedenfalls verfehlt es seinen Zweck nicht ganz: die Leute fragen sich, was wohl an den Anschuldigungen in dem Papier, was die Sportbild so liebevoll Tagebuch nennt, dran sein könnte.
Das meiste können wir als Außenstehende nicht wirklich beurteilen, einiges aber doch:
„25. 11. 2019: Rangnick teilt unmissverständlich mit, dass er das Projekt Berlin spannend findet, in einer Konstellation mit Michael Preetz als sein Vorgesetzter jedoch niemals kommen würde.“ Das ist zwei Tage vor Klinsmanns Amtsantritt, der erst Ralf Rangnick als Trainer für Hertha haben wollte. Rangnicks Management bestätigt ein Telefonat mit Klinsmann, bestreitet aber, dass Preetz darin vorkam. Gleiches kommt kurz darauf von Rangnick selbst, der nur auf seinen bestehenden Vertrag mit Red Bull hingewiesen hatte.
Klinsmann schreibt, dass Herthas Markenboss Paul Keuter den Vertrag von Performance-Manager Arne Friedrich, dessen Berater er auch ist, ausgehandelt hat. Für die Hertha allerdings ein Vorteil, schließlich sparte der Verein so das übliche Beraterhonorar. Die Verträge der Co-Trainer Alexander Nouri und Markus Feldhoff wurden von Klinsmanns Anwalt André Gross ausgearbeitet, der dafür durchaus kassiert hat.
Über die medizinische Abteilung: „Man versucht ständig, Spieler krank oder verletzt zu reden.“, (um seine eigene Existenz zu rechtfertigen). Das ist allerdings ein schlechter Scherz. Die Hertha hat nach Paderborn den niedrigsten (und somit besten) Verletztenstand der Liga.
In seinem ersten Spiel als Trainer konnte laut Klinsmann seine Elf durchaus mit dem Gegner mithalten. Klar, Dortmund hat ja auch größtenteils nur zu zehnt gespielt. Ist also eine etwas seltsame Bewertung, wie auch bei den anderen Punkten.
Eine andere Spielbewertung lässt den Schluss zu, dass dieses „Tagebuch“ erst wesentlich später geschrieben wurde: „Gegen Borussia Mönchengladbach, immerhin Tabellenführer, haben wir sogar einen Punkt geholt.“ Zum Zeitpunkt des Spiels war Gladbach aber nur Zweiter. Das weiß man vielleicht heute nicht mehr, am Spieltag aber sicherlich.
Alles spricht also dafür, dass dieses Protokoll erst kürzlich entstanden ist und einfach nur alle im Verein diskreditieren soll, die nicht Klinsmann heißen. Und deshalb ist auch offensichtlich, wer das wohl hat durchsickern lassen.
Deshalb sollte man das auch komplett ignorieren und sich nicht fragen, was daran etwa stimmen könnte.
Es ist das Nachtreten eines Mannes, der unter einer unglaublichen Profilneurose leidet und niemand wird in Zukunft noch auf die Idee kommen, ihm eine Stellung anzubieten, in der er die immer angestrebten Machtbefugnisse auch nur ansatzweise vorfinden kann.
Und das ist gut so.